Geschichte des Vereins

Augusta von Zitzewitz, Zeichen- und Malschule des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin, 1909/10

Im 19. Jahrhundert wuchsen Netzwerke, die sich allgemein für die Professionalisierung und Karriere bildender Künstlerinnen einsetzten. Allen voran der Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin, später Verein der Berliner Künstlerinnen, der älteste und renommierteste Berufsverband kunsttätiger Frauen im deutschsprachigen Raum. Seine Verdienste sind umfassend. Da Frauen nicht zu den Kunstakademien zugelassen waren und wenige Zutritt zum regulären Kunstmarkt fanden, bot er:

  • regelmäßige Ausstellungen
  • eine Zeichen- und Malschule auf akademischem Niveau (ab 1868)
  • eine Darlehns- und Unterstützungskasse (ab 1868)
  • eine Pensions- und Rentenkasse (ab 1884)
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Else Hertzer, Hoch die Antikunst, 1926

Berühmtheiten, wie Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz und Käthe Lassen wurden an der Zeichen- und Malschule ausgebildet. Vertreterinnen der Moderne, wie die Secessionistinnen Sophie Wolff, Julie Wolfthorn, Charlotte Berend-Corinth und Maria Slavona oder die Expressionistinnen Else Hertzer, Thea Schleussner und Ursula Vehrigs erhielten im Verein wichtige künstlerische Impulse.

Auch Malerinnen der Neuen Sachlichkeit, wie Lotte Laserstein oder Jeanne Mammen und die Bildhauerinnen Emy Roeder, Renée Sintenis und Milly Steger profitierten vom weit verzweigten Vereinsnetzwerk.

In der Nazizeit richteten sich die Ehrenmitgliedschaft der verfolgten Käthe Kollwitz und die Mitgliedschaft der Widerstandskämpferin der „Roten Kapelle“ Oda Schottmüller (1942 hingerichtet) bewusst gegen die verordnete politische Gleichschaltung.

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Rita Preuss, Selbst mit Pinselkranz, 1994
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Margarete Godon, Torso II., o.J.

Zur Neuausrichtung 1951 stießen Künstlerinnen aus West und Ost, darunter Charlotte E. Pauly, etwas später die bekannten West-Berliner Malerinnen Margarete Godon, Rita Preuss und Aiga Müller hinzu.

Auch heute spiegelt das Angebot des Vereins der Berliner Künstlerinnen den Bedarf seiner erfolgreichen und gestandenen Mitglieder wider. Dazu gehören

  • Ausstellungen und Publikationen
  • der Marianne Werefkin-Preis (seit 1990)
  • das Archiv, das sich als eines der größten Künstlerinnenarchive seit 2012 im Besitz der Akademie der Künste, Berlin befindet
  • die Eva Maria Marcus-Stiftung für notleidende Künstlerinnen (seit 1971)

Immer wieder verfolgt der Verein größere Projekte. Anlässlich seines 125-jährigen Bestehens im Jahr 1992 wurde die einzigartige Vereinsgeschichte aufgearbeitet und im Rahmen einer großen Ausstellung im Martin Gropius-Bau mit einem umfangreichen Katalog, einem Lexikon und der Rekonstruktion des Archivs vorgestellt.

Zum 150. Jubiläum 2017 realisiert der Verein die 4-teilige Ausstellungsreihe "Fortsetzung folgt! 150 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen e.V.":

  • Teil 1 mit Positionen von der Gründung bis 1945, Zu Gast in der Alexander und Renata Camaro Stiftung, 26.11.2016-24.03.2017
  • Teil 2-4 "Fortsetzung jetzt!" mit Positionen zur Gegenwart. Kommunale Galerie Berlin, 19.02.-30.04.2017. Alte Feuerwache Projektraum, 08.09.-13.10.2017. Galerie Alte Kaserne, Zitadelle Spandau, 30.11.2017-02.04.2018

Zeittafel

ehemalige Mal- und Zeichenschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen 1867 in der Potsdamer Straße, heute Camaro-Stiftung

1867 – 1893 Etablierung

13.01.1867 Gründung des Vereins der Berliner Künstlerinnen und Kunstfreundinnen

mit 29 Künstlerinnen, 62 Kunstfreundinnen und den männlichen Unterstützern und Ehrenmitgliedern: Werner von Siemens, die Kunstprofessoren Oskar Begas und Julius Schrader und der Vorsitzende des Lette-Vereins Wilhelm Adolf Lette. Vereinszweck: die wechselseitige Unterstützung alleinstehender Künstlerinnen, Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten, Ausstellungen und die Vernetzung mit Kunstfreundinnen.

19.11.1868 Gründung der Zeichen- und Malschule.

1870-1875 Einrichtung einer Darlehns- und Unterstützungskasse. 1873 Erhalt der Korporationsrechte. Ab 1874 jährliche Unterstützung durch das Preußische Kulturministerium. Ab 1875 besucht Kaiser Wilhelm regelmäßig die Jahresausstellungen und tätig großzügige Ankäufe.

1885 Gründung einer Pensionskasse, die bald über ein Vermögen in Höhe von 15.000 Mark verfügt.

1885-86 Käthe Kollwitz studiert an der Zeichen- und Malschule bei Karl Stauffer-Bern.

1893 Der Verein hat 565 Mitglieder, darunter 214 Künstlerinnen. Erwerb eines Gebäudes für die Zeichen- und Malschule zusammen mit dem Viktoria Lyzeum für höhere Frauenbildung in der Potsdamer Str. 38 (heute 98).


1893-1912 WEGE IN DIE MODERNE

Künstlerinnenfest 1907, Deckblatt des gleichnamigen Heftes, Berlin 1907 Zeichnung: Ilse Schütze-Schur. Foto: AdK vorl. Nr.: VdBK-Kataloge 001

1893 Der Verein beteiligt sich am „Frauenpavillon“ der Weltausstellung in Chicago. Er veranstaltet jährlich sehr erfolgreiche Kostümfeste und lukrative Weihnachtsmessen zugunsten der Pensionskasse.

Ab 1895 Vergabe von Reisestipendien.

April 1896, Herbst 1896 -Ende Mai 1898 Paula Modersohn-Becker studiert an der Zeichen- und Malschule bei Jakob Alberts, Curt Stoeving, Martin Körte, Ernst Friedrich Hausmann, Ludwig Dettmann, Max Uth und Jeanna Bauck.

1897-1903 Käthe Kollwitz wird Lehrerin für Grafik und Zeichnen an der Zeichen- und Malschule.

1898 Vereinsausstellung in der Akademie der Künste mit 199 internationalen Künstlerinnen, darunter Marie Bashkirtseff, Thérèse Schwartze, Sina Mesdag van Houten, Maria Philippina Bilders van Bosse, Tina Blau-Lang, Olga Boznanska, Vilma Parlaghy, Bertha Wegmann und Clara von Rappard.

Ende der 1890er Jahre Öffnung für die Belange der Frauenbewegung sowie für die Secessionsbewegung durch die Künstlerinnen Sophie Wolff, Julie Wolfthorn, Sabine Lepsius, Ernestine Schultze-Naumburg, Dora Hitz und die Secessionisten Philipp Franck, Hans Baluschek, Ludwig Dettmann, Martin Brandenburg, Ulrich Hübner, George Mosson und Franz Skarbina als Lehrer der Zeichen- und Malschule und als Ehrenmitglieder.

1901 Käthe Kollwitz zeigt „ein Weberaufstand“ auf der Vereinsausstellung in der Akademie der Künste.

1911-1912 Der Verein bezieht ein neues Haus am Schöneberger Ufer 38. Er erhält einen staatlichen Zuschuss von 5.000 Mark. 1912 Beteiligung an der Ausstellung „die Frau in Haus und Beruf“ des Deutschen Lyceum-Clubs.


1913 – 1933 für die erwerbstätige Künstlerin

1913 Der Verein veranstaltet eine Ausstellungsserie u.a. mit Werken von Dora Hitz, Eva Stort, Cornelia Paczka-Wagner, Elisabeth Schott, Aenny Loewenstein u.a.

Die Frau von heute, Ausstellungsansicht 1929, VdBK-Archiv AdK Berlin

1914 Die graphische Klasse von Ilse Schütze-Schur wird auf der Weltausstellung für Buchgewerbe und Grafik in Leipzig vorgestellt. Der Verein hat 732 Mitglieder, die Zeichen- und Malschule 260 Schülerinnen.

1919 Umbenennung in: Verein der Künstlerinnen zu Berlin.

1928/29 Charlotte Berend-Corinth und Käthe Kollwitz beteiligen sich an den Vereinsausstellungen.

1929 Einrichtung einer Bildhauerklasse unter der Leitung von Milly Steger. Ankäufe der Stadt Berlin auf den Vereinsausstellungen. Im Herbst findet die große Ausstellung „die Frau von heute“ unter der Schirmherrschaft von Katharina von Kardorff statt, Ausstellungsgast ist die französische Avantgardistin Marie Lauencin. Weitere Ausstellungsstationen sind: Magdeburg, Osnabrück und Kassel.

1930 Der Verein ist Mitglied im Bund deutscher Künstlerinnenvereine, dem Kartell der Vereinigten Verbände bildender Künstler e.V., dem Deutschen Staatsbürgerinnen-Verband e.V. und dem Stadtverband Berliner Frauenvereine.

1932 und 1933 Jeanne Mammen beteiligt sich an den Frühjahrsausstellungen.


1933 – 1945 dunkle Jahre im Nationalsozialismus

Käthe Kollwitz, die Klagende (über den Tod von Barlach), 1938-40, 26 x 26 x 10 cm, Bronze, Privatbesitz

1933 Diffamierung der Frühjahrsausstellung im „Völkischen Beobachter“. Infolge der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wird der Verein zwangsweise in die nationalsozialistische Kulturpolitik eingegliedert. Ausgrenzung der jüdischen Künstlerinnen Fanny Remak, Julie Wolfthorn, Alice von Niebelschütz, Gertrud Koref-Stemmler, Harriet von Rathlef-Keilmann, Edda Wiese-Knopf und Lotte Laserstein.

1935-1936 Das Vereinshaus wird zwangsversteigert. 1936 Satzungsänderung: Verlust der ordentlichen Mitgliedschaft aller nicht in der Reichskammer der bildenden Künste gemeldeten Künstlerinnen, die als außerordentliche Mitglieder weiter geführt werden können.

1940 Ehrenmitgliedschaft von Käthe Kollwitz.

Ab 1940-1943 Ankäufe auf den Vereinsausstellungen durch die Stadt Berlin, das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, das Reichspostministerium und die Reichsfrauenführung. 1943 Zusammenarbeit mit der Reichsgemeinschaft Deutscher Künstlerinnen und Kunstfreudinnen (früher GEDOK).

1944 Zerstörung des Schul- und Vereinshauses mit dem Archiv durch einen Luftangriff.


1949 – 1971 Reorganisation

1949 Veranstaltung der Milly Steger Gedächtnis-Ausstellung mit 26 Künstlerinnen, darunter Hannah Höch.

1950-1951 Auflösung des Vereins durch den Alliierten Kontrollrat. 1951 Reorganisation unter dem Namen: Verein der Berliner Künstlerinnen zu Berlin.

1954 erste Vereinsausstellung seit Kriegsende. Die Satzung wird zur Ermöglichung von Fördermittelakquise geändert.

1966 Ankäufe von Werken der Mitglieder Else Hertzer, Margarete Godon, Annalise Pilasik durch den Berliner Senat, die Einnahmen gehen an den Verein.

1971 Angliederung der Eva Maria Marcus Stiftung zur Unterstützung von nicht mehr arbeitsfähigen Künstlerinnen über 60 Jahre.


1972 – 2012 Träger der Geschichte bildender Künstlerinnen

1978 Jahresausstellung u.a. mit Werken des verstorbenen Vereinsmitglieds Else Hertzer.

1984-1991 Gewohnheitsrecht, die Jahresausstellungen im Rathaus Schöneberg zu zeigen.

1988/89 Start des Projektes „125 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen“. Stipendium für Dr. Carola Muysers bei der Förderkommission Frauenforschung der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten und des Frauenförderprogramms. Schirmherrschaft von Dr. Anke Martiny und Kooperationspartnerschaft der Berlinischen Galerie. Anerkennung der Gemeinnützigkeit.

1990 Erstmalige Vergabe des Marianne Werefkin-Preises im Rahmen der Jahresausstellung „Ausländische Gäste im Mittelpunkt“.

1992 Herausgabe des Lexikons zu 1.200 Künstlerinnen und 600 Kunstfreundinnen und Ehrenmitgliedern. Realisierung der Jubiläumsausstellung „Profession ohne Tradition“ in der Berlinischen Galerie im Martin Gropius-Bau mit 250 Werken von 120 historischen und zeitgenössischen Künstlerinnen von 100 öffentlichen und privaten Leihgebern. Wiederentdeckung zahlreicher hervorragender historischer Künstlerinnen, u.a. Lotte Laserstein.

1993 Neuer Vereinssitz im ehemaligen „Gipsatelier“ im Schadowhaus, Schadowstraße 10, Berlin-Mitte. Dort Unterbringung des Archivs bis 2012.

2000-2007 Gründung des Archiv Vereins der Berliner Künstlerinnen e.V. unter dem Vorsitz von Ute Gräfin von Hardenberg. 2001 Gemeinschaftsausstellung „Victoria von Preußen 1840-1901“ mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. 2003 Publikation „Torso“ über die Vereinsarbeit seit 1992. 2007 Rückblick „der Marianne Werefkin-Preis 1990-2007“ in Kooperation mit dem Georg Kolbe Museum.

2012 Übergabe des Archivs an die Akademie der Künste Berlin.


2013 – heute Fortsetzung folgt

2013 Ausstellung mit 22 Positionen türkischer Künstlerinnen und Vereinskünstlerinnen: Heute hier, bugün burada im Haus am Kleistpark.

2013-2015 Vergabe des Marianne Werefkin Preis 2013 an Caro Suerkemper mit einer Ausstellung der Preisträgerin und der Nominierten Caro Suerkemper, Hannah Dougherty, Heike Gallmeier, Ricoh Gerbl, Sabine Herrmann, Sofia Hulten, Michelle Jezierski, Antje Neppach, Ursula Neugebauer, Susanne Schirdewahn, Yikiko Terada in der Galerie Pankow. Marianne Werefkin Preis 2015 an Isa Melsheimer mit einer Ausstellung der Preiesträgerin und der Nominierten Isa Melsheimer, Ina Bierstedt unf Hanna Hennenkemper im Haus am Kleistpark.

2016/2017 Jubiläumsprojekt: Fortsetzung folgt! 150 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V. Eine 4-teilige Ausstellungsreihe

Fortsetzung folgt! Teil 1: 40 Positionen von der Gründung bis 1945 kuratiert von Dr. Birgit Moeckel und Dr. Carola Muysers. Zu Gast in der Alexander und Renata Camaro Stiftung, Potsdamer Straße 98A, 10785 Berlin, 26.11.2016-24.03.2017. Kooperationspartner: Archiv der Akademie der Künste

Fortsetzung jetzt! Teil 2-4 mit 30 Positionen zur Gegenwart des VdBK kuratiert von Dr. Claudia Beelitz. Kommunale Galerie Berlin, 19.02.-30.04.2017. Alte Feuerwache Projektraum, 08.09.-13.10.2017. Galerie Alte Kaserne, Zitadelle Spandau, 17.11.2017-02.04.2018